Nachbarschaftstudie
Gesundheit beginnt nebenan – und zwar gemeinsam
Eine AOK-Studie unter Nachbarschaftsinitiativen liefert neue Einblicke in die Freiwilligenarbeit im Wohnumfeld und zeigt zukunftsweisende Trends auf. Sie bestätigt: Nachbarschafts-Netzwerke sind ein wesentlicher Baustein der Gesundheitsförderung.
Durch die demografischen Veränderungen gewinnen gemeinwohlorientierte Projekte in Nachbarschaften zunehmend an Bedeutung. Insbesondere die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen in ihrer Nachbarschaft zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen. Die freiwillige Initiative von Anwohnenden trug vielerorts zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität von Nachbarinnen und Nachbarn aller Generationen bei. Diese positive Erfahrung führt dazu, dass bis heute zahlreiche Hilfe-Netzwerke in Nachbarschaften ausgebaut und Gemeinschaftsaktionen verstetigt wurden.
Für die aktuelle Studie wurden Nachbarschaftsinitiativen befragt, die seit 2020 am AOK-Förderpreis „Gesunde Nachbarschaften“ mit modellhaften Projekten im Rheinland und in Hamburg teilgenommen haben. Trotz regionaler Unterschiede und der Differenzierung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten lassen sich hinsichtlich der Ziele und Herausforderungen viele Gemeinsamkeiten feststellen.
Wichtigstes Anliegen: Schutz vor Vereinsamung
Jede dritte Person über 65 lebt heute allein in den eigenen vier Wänden. Um der damit verbundenen Isolation entgegenzuwirken, bieten nahezu alle befragten Freiwilligeninitiativen (90 %) gezielte Angebote für ältere Bewohnerinnen und Bewohner. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Schaffung von Nachbarschaftstreffs und der Etablierung zuverlässiger Netzwerke zur Entlastung im Alltag. Viele Nachbarschaftsinitiativen suchen dabei fachkundige Beratung. Im Hinblick auf die Unterstützung älterer Menschen in ihrem Wohnumfeld ist es für jede zweite Nachbarschaft wichtig, ihr praktisches Wissen zu erweitern, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Pflegestützpunkten im Quartier oder im Umgang mit demenziell erkrankten Personen.
Erfolgreiche Gesundheitsprojekte in Nachbarschaften
Gemeinschaftsaktionen, die gezielt die Gesundheit fördern, stehen in der Nachbarschaftsarbeit im Vordergrund. Sie lassen sich generell auf drei Handlungsfelder aufteilen: Bewegungsförderung, gesunde Ernährung und psychosoziale Gesundheit.
Beliebt sind insbesondere sportliche Aktivitäten, die sich in der Gemeinschaft oft leichter umsetzen lassen: Für mehr Bewegung und Fitness im Alltag machen sich 64 % der befragten Nachbarschaftsinitiativen stark. Sie organisieren Fitnesstreffen, verabreden sich zum Yoga, Walken, Radfahren oder zum Boulespiel.
Die Mehrheit der Befragten (64 %) setzt auf generationsübergreifende Maßnahmen, die vor allem älteren Alleinstehenden zugutekommen und eine Einbindung in die Gemeinschaft ermöglichen. Häufig genannte Aktivitäten sind:
• gemeinsame Spaziergänge und Übungen zur Sturzprophylaxe
• Einkaufsservice und Begleitung zu Arztterminen
• Versorgung mit gesunder Ernährung
• Besuchsdienste bei mobil eingeschränkten oder erkrankten NachbarInnen
Für fast jede zweite Nachbarschaft (47 %) ist eine gesunde Ernährung ein festes Ziel gemeinschaftlicher Aktivitäten. Besonders beliebt sind Kochevents und gemeinsame Mahlzeiten. Etwa ein Drittel der befragten Initiativen (32 %) betreibt Gemeinschaftsgärten, in denen Obst und Gemüse für die Selbstversorgung angebaut werden. Oftmals werden diese Aktionen durch Vorträge zur gesunden Ernährung ergänzt.
Mehr als gute Nachbarschaft
Gesundheitsfördernde Aktionen wirken als treibende Kraft für nachbarschaftliches Engagement. 81 % der Befragten sind der Meinung, dass ihre partizipativen Angebote die Lebensqualität und Gesundheit ihrer Nachbarinnen und Nachbarn verbessern können. Die positive Resonanz aus dem Wohnumfeld bestätigt dies und ermutigt die Engagierten, ihre eigeninitiativen Projekte auszubauen und zu verstetigen. Für jeden dritten Befragten ist die Erfahrung der Selbstwirksamkeit der größte Motivator für den freiwilligen Einsatz in der Nachbarschaft.
Herausforderungen für die Nachbarschaftsarbeit
Freiwilliges Engagement für ein gesundes und demokratisches Miteinander wird immer bedeutender. Das sagen nahezu alle befragten Nachbarschaften (92 %). Die Mehrheit beabsichtigt, ihr Engagement zu erweitern. Doch stehen viele Initiativen vor Herausforderungen, die sie auf Dauer nicht allein meistern können, allen voran die kontinuierliche Finanzierung (42 %) und das Gewinnen neuer Mitglieder (37 %).
„Gesunden Nachbarschaften“ gehört die Zukunft!
Die meisten organisierten Nachbarschaften (73 %) sind bereits mit kommunalen
Einrichtungen bzw. mit der Gemeinde vernetzt. Viele kooperieren mit Sozialverbänden (49 %), anderen Nachbarschaftsinitiativen (63 %), Stiftungen bzw. Unternehmen (56 %) und Gesundheitspartnern wie der AOK. Die befragten „Gesunden Nachbarschaften“ wünschen sich regionale Vernetzung, Erfahrungsaustausch, Unterstützung und mehr Sichtbarkeit, um ihre Ziele effektiver umzusetzen und ausweiten zu können. Sie sind sich einig, dass die gegenseitige Unterstützung im direkten Wohnumfeld in Zukunft entscheidend sein wird, um Integration, Inklusion und ein harmonisches Zusammenleben der Generationen zu fördern.
Über die Nachbarschaftsstudie
Die Studie „Gesunde Nachbarschaften“ wurde im Auftrag der AOK Rheinland/Hamburg vom Berliner Institut für Sozialforschung (BIS) von November 2023 bis Februar 2024 durchgeführt. Befragt wurden per Online-Fragebogen und ergänzenden Telefoninterviews 73 ausgewählte Nachbarschaftsinitiativen, die im Rahmen der 2020 gestarteten AOK-Förderpreis-Kampagne „Gesunde Nachbarschaften“ ihre gesundheitsorientierten Freiwilligen-Projekte vorgestellt haben.