Interview mit Erdtrud Mühlens
„Der Wunsch nach gelebter Gemeinschaft im Wohnumfeld nimmt deutlich zu“, sagt Erdtrud Mühlens, Gründerin des bundesweiten Netzwerk Nachbarschaft. Sie unterstützt Projekte, die den Alltag für alle Generationen bereichern und das solidarische Miteinander im Wohnumfeld stärken.
Frau Mühlens, Sie sagen, gute Nachbarschaft liegt im Trend.
Ja, der Wunsch nach gelebter Gemeinschaft im Wohnumfeld nimmt deutlich zu. Eine große Zahl von Nachbarschaftsinitiativen verzeichnet heute mehr Aktive als noch vor der Pandemie und will ihr Engagement ausbauen. Die gesellschaftliche Bedeutung von Nachbarschaftsnetzwerken steigt besonders in Zeiten, die als krisenhaft wahrgenommen werden. Viele Menschen erleben heute die Welt als unsicheren Ort und erfahren hautnah, wie wertvoll es ist, miteinander gut vernetzt zu sein.
Werden Nachbarschaftsinitiativen also buchstäblich aus der Not geboren?
In Notsituationen wird gegenseitige Hilfe natürlich besonders wichtig. Nachbargemeinschaften wollen aber mehr. Sie wollen die Lebensqualität für alle Generationen verbessern, sich kulturell bereichern und Ressourcen schaffen, auf die alle zugreifen können. Wer sich für sein Wohnumfeld engagiert, hat ja auch selbst viel davon und kann vieles im Positiven mitgestalten.
Wie unterstützen Sie konkret die Bildung und den nachhaltigen Ausbau von Nachbarschaftsnetzwerken?
Wir schaffen konkrete Anlässe für den Aufbau von verlässlichen Strukturen und mehr Zusammenhalt. Auf unserer Plattform stellen wir ganz unterschiedliche Modelle vor, wie gut Unterstützungsstrukturen, etwa Patenschaften oder Zeittauschbörsen, im überschaubaren Wohnumfeld funktionieren. Sie fördern den sozialen Zusammenhalt und ermöglichen ein erfolgreiches Stress- und Ressourcenmanagement für alle. Diese Mehr-Generationen-Nachbarschaften liefern uns ein reichhaltiges Praxiswissen. Wir unterstützen das freiwillige Engagement, indem wir sie bekannt machen und so auch die Nachwuchsgewinnung erleichtern.